Kritik am schwarz-gelben E-Government-Gesetz 12. März 2020 Liebe Freund*innen, eine digitale Verwaltung hilft allen: Sowohl Unternehmen als auch Bürger*innen sparen Zeit, Geld und Nerven, wenn Behördengänge ohne Wartemarke, Stempel und Amtsstubenmief digital erledigt werden können. Im digitalen Vorreiterland Estland spart jede*r Bürger*in im Jahr eine Woche Lebenszeit durch einfache und digitale Administration. Das sind Vorteile, die wir auch für NRW heben wollen. Obwohl sie eigentlich Vorbild sein müsste, handelt die Landesregierung gänzlich anders: In ihrem „papierlosen Modellministerium“, dem Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie (MWIDE), verbraucht aktuell jede*r Mitarbeiter*in rund 3.700 Seiten Papier im Jahr. Das musste die Landesregierung letztes Jahr auf meine Kleine Anfrage hin zugeben. Und auch bei der lang angekündigten Novelle des E-Government-Gesetzes macht Digitalminister Andreas Pinkwart (FDP) keine gute Figur. Ein Ankündigungsminister macht noch keine Digitalisierung 4. Oktober 2018: Im Ausschuss für Digitalisierung und Innovation kündigt Minister Pinkwart an, dass der Entwurf für ein E-Government-Gesetz bis Ende 2018 oder Anfang 2019 vorliegen werde20. Dezember 2018: In der E-Government-Strategie vom Dezember 2018 wird der Gesetzentwurf für das erste Quartal 2019 angekündigt29. Mai 2019: Als das Quartal vorbei war, kündigte Herr Pinkwart das Gesetz „vor der Sommerpause“ 2019 an. 2. August 2019: Als dieser Zeitpunkt vorbei war, kam die nächste Ankündigung: Laut Rheinischer Post vom 2. August 2019 wurde der Gesetzentwurf dann für Ende 2019 angekündigt. Und jetzt – nochmal drei Monate später – liegt der Gesetzentwurf für eine Novelle des E-Government Gesetztes vor und steht an diesem Mittwoch auf der Tagesordnung des Landtages NRW. Und er ist nicht weniger als ein Offenbarungseid einer Landesregierung, die die Digitalisierung zwar als Chance erkannt haben mag, aber dennoch viel zu wenig dafür tut, diese Chance für unser Land zu heben. Als vermeintlicher Chef-Digitalisierer gestartet, als Digitalisierungs-Verschieber gelandet – das ist die Bilanz von Minister Pinkwart nach einer halben Wahlperiode. Unsere Kritik am schwarz-gelben Gesetzentwurf: Die Einführung der elektronischen Aktenführung wird für diejenigen Ministerien, die parallel die elektronische Laufmappe einführen, um zwei Jahre nach hinten geschoben: vom 1.1.2022 auf den 1.1.2024. Wie Pinkwarts Ministerium kürzlich in einem Bericht an den Digitalausschuss selbst zugeben musste, sind die Probleme hausgemacht: Wegen Geld- und Ressourcenmangel wird die Zielmarke 2022 kaum zu halten sein. Das Innenministerium bekommt einen pauschalen Aufschub der digitalen Verwaltung bis 2024. Vor dem Hintergrund der großen Verschieberitis mutet es waghalsig an, die Frist für die elektronische Prozessoptimierung von 2031 auf 2025 vorzuziehen. Mehrere Hunderttausend Verwaltungsprozesse müssen analysiert werden, bei einem Bruchteil ist das erst geschehen. Vergegenwärtigt man sich die Probleme bei der E-Akte, trägt diese Fristverkürzung – wenn die Landesregierung bei Personal und Ressourcen nicht substanziell nachlegt – vielleicht über den Wahltermin, aber nicht bis zu einer wirklich digitalen Verwaltung. Die neuen Regelungen zu Open Data klingen zwar zunächst ganz gut, sind aber bei näherem Hinsehen das gewohnte „Alles kann, nichts muss“. Das Gesetz legt außerdem explizit fest, dass kein Rechtsanspruch auf offene Daten besteht – sondern macht die Veröffentlichung vom Gutdünken der Behörden abhängig. Von den Fortschritten, die NRW mit unserem Entwurf für ein Informationszugangsgesetz machen würde, ist Schwarz- Gelb meilenweit entfernt! Die Änderungen am Gesetz bei der E-Akte, elektronischer Prozessoptimierung und Open Data bleiben auf die Landesbehörden beschränkt. Dabei findet der Großteil der Kontakte zwischen Verwaltung, Wirtschaft und Bevölkerung auf kommunaler Ebene statt. Wir brauchen dringend eine flächendeckende Lösung und nicht länger einen Flickenteppich aus Modellprojekten. Wir GRÜNE stehen für eine flächendeckende, leistungsstarke digitale Verwaltung. Digitalisierung ist für uns kein Kostensparmodell, sondern der Weg, wie die öffentliche Verwaltung besser, agiler und bürgernäher werden kann.